Weil das Böse eine geistige Dimension hat
Im dritten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends offenbart die Welt, in der wir leben, immer deutlicher eine dunkle und destruktive Seite. Dazu gehören die dreiste Behauptung und massive Verbreitung von Lügen, der Hass auf alles Seelisch-Geistige, die Knechtung des Menschen mit Hilfe elektronischer Technik, das erbarmungslose Schüren von Angst sowie die Verachtung des natürlichen Lebens. Die Macht des Dunklen ist so ungeheuer groß, so umfassend und weitreichend, dass es schwerfällt ihrem hässlichen, furchterregenden Blick standzuhalten. Man kann sich eigentlich gar kein Regime vorstellen, das in der Lage ist, weltweit mit einem so hohen Grad an Organisation und Disziplin ein derart zerstörerisches Werk auszuführen. Deshalb wundert es nicht, dass sehr viele den Blick abwenden und sich weigern, das Dasein eines weltweit operierenden Bösen zur Kenntnis zu nehmen.
Natürlich gibt es überall Menschen, die das Ausmaß des Unrechts sehen und auch versuchen, andere darauf hinzuweisen. Offenbar fällt es aber auch ihnen schwer, der unmenschlichen oder übermenschlichen Dimension des Bösen zu begegnen. Die meisten dieser mutigen Mahner und Warner gehen von einer weltweiten Verschwörung einer perfiden Elite aus. Sie sehen superreiche Konzernlenker und autokratische Milliardäre, die nach absoluter Kontrolle streben, nach der Weltherrschaft mit Hilfe ihres unvorstellbar großen Reichtums, das heißt mittels eines weitverzweigten Systems der Korruption. Geld regiert die Welt. Mit dieser rationalen Erklärung geben sie dem sich weltweit ausbreitenden Bösen ein menschliches Antlitz und führen somit das Ungeheure auf ein Menschenmaß zurück. Das Treiben der mächtigen Strippenzieher wird dadurch nachvollziehbar, ja vertraut, denn Habgier und Angst vor Kontrollverlust kennt jeder. Man mag das Ausmaß verwerflich oder ekelhaft finden, aber im Prinzip kann man die Einflussfaktoren Geld und Macht bei sich selbst nachempfinden.
Wenn wir aber das menschen- und lebensfeindliche Treiben, das weltweit in so kurzer Zeit so erschreckend große Erfolge erzielt hat, unvoreingenommen betrachten, müssen wir zu dem Schluss gelangen, dass hier nicht nur Menschliches am Werk ist. Ich sagte bereits, dass die meisten Zeitgenossen nicht glauben, dass ein globales Netzwerk übelwollender Intriganten dabei ist, sie zu knechten oder gar gezielt zu schädigen, weil sie die weltweite Einmütigkeit, die dafür nötig wäre, nicht für möglich halten. Und sie haben recht! Das Böse hat sich noch immer selbst zerfleischt. Einigkeit widerspricht sozusagen seinem Wesen. Um zu sehen, wie sehr diese Behauptung zutrifft, braucht man nur die Dynamik der totalitären Bewegungen des letzten Jahrhunderts zu studieren. Hitler ließ seine eigenen Leute liquidieren. Er verachtete den Faschisten Mussolini, der gleichwohl sein Verbündeter war. Dagegen bewunderte er Stalin, was ihn nicht daran hinderte, dessen Sowjetunion mit mörderischer Gewalt zu überfallen. Stalin wiederum ließ Millionen aus den eigenen Reihen umbringen. Viele Beispiele für die dem Bösen inhärente Selbstzerstörung finden sich in der herausragenden und tief blickenden Totalitarismus-Studie von Hannah Arendt.[1]
Ich stimme also zu, wenn es heißt, dass die Regierungschefs, Konzernlenker und Pseudophilanthropen dieser Welt zu einer konzertierten Aktion mit dem Ziel, die gesamte Weltbevölkerung zu unterwerfen, gar nicht in der Lage wären. Ich komme allerdings zu einem ganz anderen Schluss. Ich leite nicht daraus ab, dass eine solche Operation unmöglich ist. Nein, sie findet tatsächlich statt und weil dem so ist, muss es für ihre Durchführung eine übergeordnete Führungsebene geben, die nicht von dieser Welt ist. Nur so lässt sich die ansonsten völlig unwahrscheinliche Geschlossenheit und Einstimmigkeit aller Akteure erklären. Dass sich all die steinreichen Selbstdarsteller gar nicht bewusst sind, von Regisseuren aus der geistigen Welt gelenkt zu werden, setze ich voraus. Schließlich sind die meisten von ihnen erklärte Materialisten, die für so etwas wie Geist oder geistige Mächte nur zynische Verachtung übrighaben. Mir ist klar, dass diese Vorstellung für das egozentrische Weltbild extrem bedrohlich ist, weshalb die allermeisten sie wohl auch als lächerlich und absurd abtun würden. Wir glauben nicht mehr an Geister, Dämonen oder Teufel; sie haben in der materialistischen Weltanschauung keinen Platz. Viele meiner Mitmenschen wären wohl eher bereit, die Präsenz von Außerirdischen auf unserem Planeten anzunehmen als das Wirken geistiger Mächte. Aber hinter außerirdischen Besuchern, egal ob sie gute oder böse Absichten hätten, stünde doch auch eine Welt geistiger Wesen mit unterschiedlichen, mitunter widerstreitenden Absichten.
Die destruktiven Tendenzen, die ich eingangs skizzierte, tragen die Handschrift geistiger Wesenheiten, für die Rudolf Steiner den Namen Ahriman wählte. Ihr Bestreben scheint es zu sein, uns Menschen gänzlich und endgültig an das Materielle zu fesseln und zugleich unsere Verbindung zum Seelisch-Geistigen zu kappen. Zu ihren bewährten Kampfmitteln gehören das Schüren von Angst vor körperlichen Leiden und Tod, das Wecken von Allmachtsfantasien mit Hilfe elektrotechnischer Erfindungen sowie das Säen von Misstrauen in Bezug auf alles Natürliche. Wer nun aber meint, er sei gegen die Einflüsterungen Ahrimans immun, hätte das böse Treiben dieser Wesenheiten durchschaut, der solle sich sogleich vor Überheblichkeit und Rechthaberei hüten, um nicht anderen einseitig ausgerichteten Wesenheiten auf den Leim zu gehen, Wesenheiten, die ihn dazu verführen, alles Irdische, Diesseitige, Mühselige, gering zu schätzen und sich darüber zu erheben. In anthroposophischen Kreisen werden sie unter dem Namen Luzifer diskutiert. Man dürfe sich nicht täuschen. Mit den Namen Ahriman und Luzifer sind mächtige Wesenheiten benannt, die kein Mensch einfach besiegen oder überwinden kann. Vielmehr gilt es, mit ihrer Hilfe die eigene Mitte zu finden, mit anderen Worten das Ich im Geiste der Liebe und Wahrheit zu stärken.
Außer derlei hohen Wesenheiten, die mythologisch auch als gefallene Engel beschrieben werden, gibt es hausgemachte Störenfriede. Es ist eine Tragödie, dass ein Großteil der Bevölkerung hierzulande und in der gesamten westlichen Welt die Existenz solcher Geister leugnet. Denn damit hält man sich Dämonen und andere Unholde natürlich nicht vom Leibe. Im Gegenteil! Solange sie unerkannt und unvermutet bleiben, können sie ungestört ihr Unwesen treiben. Weil man zu wenig achtgibt auf das, was man denkt, fühlt, sagt oder tut, entgeht einem zumeist völlig, wie man allerhand Quälgeister selbst herbeiruft. Ich denke hierbei konkret an die Rückwirkung dessen, was der zypriotische Mystiker und Heiler Daskalos (Stylianos Atteshli) „Elementale“ nannte. Es handelt sich nicht bloß um „Projektionen“, die man noch als Einbildung abtun könnte. Denkend, fühlend, sprechend und handelnd erschafft man tatsächlich eine Realität. Ist man unachtsam, kann man sich leicht und scheinbar willkürlich mit Depressionen, Aggressionen, Selbstmitleid, Schuldgefühlen, Pessimismus, Neid oder Selbsthass konfrontiert sehen.
Was die Tragödie noch vertieft und verschärft, ist, dass man sich mit der beschränkten Sicht des Materialisten zugleich den Weg zu den guten und helfenden geistigen Wesen verbaut. Gott, so heißt es seit Nietzsche, sei tot, und Engel kenne man nur noch von Disney-Zerrbildern oder Weihnachtskitsch. Die dunklen Mächte, die jetzt zum großen Schlag gegen den freien Menschen ausholen, haben offenbar ganze Arbeit geleistet. Erschreckend viele Menschen haben keine gefühlte oder gedachte, geschweige denn bewusste Beziehung zu ihrem höheren Selbst, ihrer Seele, ihrem Schutzengel oder Geistführer. Der ihnen früh eingeimpfte Glaubenssatz lautet: So etwas gibt es nicht. Es gibt nur Gehirne und Geräte. Schließlich wird die Sehnsucht der Seele nach Transzendenz missverstanden und mit berauschenden Sinneserfahrungen erstickt.
Nun weiß jeder, dass man sich nicht vor Krankheit schützt, indem man die Existenz von Krankheitserregern leugnet. Täte man folglich nichts dafür, sein Immunsystem zu stärken, würde man sich gar der Gefahr wehrlos aussetzen. Ähnlich kontraproduktiv ist es, das Vorhandensein geistiger „Krankheitserreger“ zu leugnen. Sie sind da, wie die derzeitigen Angriffe auf alles Seelisch-Geistige von Seiten der Naturwissenschaft, der Mainstream-Medien und anderer Meinungsmacher sowie die Diffamierung eines jeden selbstständig denkenden Menschen in aller Deutlichkeit zeigen. Deswegen ist es gerade in der heutigen Zeit von elementarer Bedeutung, unser geistiges Immunsystem zu stärken. Das geschieht durch die Ausrichtung unseres Denkens, Fühlens und Wollens auf das höchste und reinste in uns, unser höheres Selbst, unsere göttliche Seele, und darüber hinaus auf höhere geistige Wesenheiten, Engel und Erzengel, die unsere freie Entfaltung zum bewussten und geistig erwachten Menschen fördern.
An dieser Stelle halte ich es für notwendig, vor einer Verirrung zu warnen, einem Irrweg, der sich vor uns auftut, wenn wir anfangen zu akzeptieren, dunklen und lichten Mächten tatsächlich gegenüberzustehen. Während der heutigen Krisenzeit ist eine Anschauung aufgelebt, in der die Schöpfung im Wesentlichen als ein Schlachtfeld verstanden wird. Insbesondere auf der Erde, so heißt es, werde ein manichäisch anmutender Kampf zwischen Licht und Finsternis ausgefochten. Dieses kosmische Kriegsdrama erstrecke sich über gewaltige Zeiträume, auch wenn für manche vielleicht der Eindruck entstanden sei, jetzt mitten in einer entscheidenden Schlacht zu stehen. Ich halte diese Anschauung insofern für eine Verirrung, als darin die geistige Welt mit der Vorstellung einer linearen, geschichtlichen Zeit verknüpft ist, das heißt mit dem Konzept von früher und später.
Wir sollten erkennen, dass die lineare Zeit unauflöslich mit Kausalität verbunden ist. Die Geschichte als Entwicklung in der Zeit ist eine komplexe Verkettung von Ursachen und Wirkungen. Und sofern wir auf dieser Ebene denken, denken wir ebenfalls kausal: Wenn dies, dann das; weil jenes geschah, deshalb passierte dieses. Wir stellen uns einen kosmischen Fahrplan vor, demgemäß die Menschheit von einer Station zur nächsten ad infinitum voranschreitet. Aber dieses „bis ins Unendliche“ ist eine schwer erträgliche Aussicht, die uns danach fragen lässt, wozu das Ganze gut sein soll. Warum hat das alles überhaupt angefangen? Was war vor dem Anfang, was wird nach dem Ende sein? Das sind Fragen, die zwangsläufig mit dem kausalen Denken einhergehen. Und weil sie nicht zu beantworten sind, zeigen sie uns, dass wir mit unserer Suche nach Sinn so nicht weiterkommen. Im Gegenteil! Während wir uns bemühen, entlang der linearen Zeitachse zu denken, verlieren wir uns, so wie wir auch angesichts eines als unendlich vorgestellten Weltraums in die Bedeutungslosigkeit verschwinden.
Das Wissen um Dinge, die einmal waren oder vielleicht einmal sein werden, das Studium der menschlichen Geschichte oder Evolution überhaupt bringt uns noch nicht näher an die geistige Welt heran. Das Jenseits war, ist und wird immer ein Jenseits der Zeit sein, und das heißt auch jenseits der geschichtlichen und biografischen Entwicklung. Die Beziehung zur geistigen Welt ist nur im JETZT lebendig. Im gegenwärtigen Moment zählen keine gedanklichen Konzepte, kein Wissen, das ich aus irgendeinem Studium gewonnen habe. Hier geht es einzig und allein um das Sein, Bewusstsein, Gewahrsein. In der Gegenwart nur kann sich meine seelische Reife bewähren, und es zeigt sich, inwiefern es mir gelungen oder nicht gelungen ist, mir mein Wissen anzuverwandeln. [2]
In der Welt mit ihren omnipräsenten elektronischen Medien sehen wir uns fortwährend Manipulationen ausgesetzt. Sie zwingen uns ununterbrochen in das kausale Denken hinein, zeigen uns, was geschehen ist und was herbeigeführt oder verhindert werden soll. Sie wecken Sorge und Angst oder Hoffnung und Idealismus, machen traurig, wütend, begeistert, fanatisch oder fatalistisch. Doch egal wie sie uns beeinflussen, immer entführen sie uns aus der Gegenwart des jetzigen Momentes. Mit anderen Worten: All diese Nachrichten und Informationen haben die Tendenz, uns von uns selbst zu entfremden. Das schwächt uns. Damit ist aber auch klar, was uns stärkt und wie wir uns geistig regenerieren können.
Das Übel steckt nicht in dem, was wir denken, sondern darin, wie wir denken. Sehen wir uns beispielsweise lebensfeindlichen, zynischen oder undemokratischen Ansichten gegenüber, fühlen wir uns schnell genötigt, dagegen zu halten, unsere gegenteilige Meinung kundzutun. Die jeweilige Situation kann so etwas durchaus erfordern, aber wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass wir mit dieser Vorgehensweise immer auf der Ebene des Für und Wider bleiben. Es ist dies die Ebene der Meinungsstreitigkeiten, ganz gleich, wie viele Beweise man für seine Ansichten beizubringen vermag. Man hat bestimmte Informationen erhalten und sich auf dieser Grundlage Gedanken gemacht. Schon diese Formulierung, sich Gedanken machen, verrät, wie sehr man damit dem Bereich der linearen Zeit, des Materiellen und Machbaren, verhaftet bleibt.
Um Streit und Rechthaberei zu vermeiden, empfiehlt sich ein Denken, das bescheidener ist, horchender, empfänglicher. Vielleicht sprechen wir deshalb von einem „höheren“ Selbst, weil diese verborgene Seite in uns aus einer höheren Warte den Schauplatz der Meinungsstreitigkeiten übersieht. Als aufmerksamer Zeuge lädt es uns ein, seine Position des unparteiischen Betrachters kennenzulernen. Aber es widerspricht seinem Wesen, uns vom Wert dieser Position zu überzeugen. Das höhere Selbst argumentiert nicht – sinnigerweise, wenn man bedenkt, dass im Englischen argument in erster Linie „Streit“ bedeutet. Egal ob höheres Selbst, Seele, Schutzengel – sie streiten nicht mit mir. Ihre „Stimmen“ machen sich viel eher in meinen Stimmungen bemerkbar, in Bildern, Einfällen oder Impulsen. Das heißt, dass die Beziehung zu meiner verborgenen Seite eine delikate ist.
Wir können und sollen uns auch gar nicht gegen die Welt um uns herum abschotten. Als lernende und liebende Wesen sind wir auf ihre vielfältigen Eindrücke angewiesen. Zugleich aber ist es erforderlich, heute mehr denn je, diese Beziehung zur erscheinenden Welt des Materiellen um jene zur verborgenen Welt des Geistes zu ergänzen. Von dort her kommen uns ebenfalls vielfältige Eindrücke, die uns ähnlich den Sinnesreizen, prägen, stimulieren und motivieren. Denn so wie Nachrichten aus der erscheinenden Welt, das Potenzial haben, unser Denken, Fühlen und Handeln in diese oder jene Richtung zu bewegen, beeinflussen uns auch die „Nachrichten“ aus der geistigen Welt. Nicht alles, was mir in der materiellen Welt begegnet, tut mir gut. Es gibt ungesunde Nachrichten und toxische Fernsehbilder genauso wie es schädliche Lebens- und Genussmittel gibt. Ich muss prüfen, beurteilen und entscheiden, was ich will bzw. nicht will. [3] Aber dasselbe muss ich auch in Bezug auf das, was mir aus der geistigen Welt begegnet. Auch hier ist nicht alles per se gut und wohlwollend. Erschwerend kommt hinzu, dass ich zunächst einmal nicht weiß, woher die Gedanken, Einfälle, Bilder und Impulse kommen. Mir hilft es, mich zu fragen, inwiefern diese Eindrücke aus der geistigen Welt Impulse zur zwischenmenschlichen Verständigung, zur Förderung eines Wir-Gefühls und zur Vertiefung meines Selbstverständnisses sind. Denn so viel ist klar: Egal ob Dämonen, Geister oder Teufel – sie alle drängen uns auf die eine oder andere Weise in die Isolation. Sobald ich jedoch in der Gegenwart bin, entsteht Beziehung ganz natürlich.
[1] Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Piper Verlag, München, 1991
[2] Mehr dazu gibt es in diesem Beitrag:
[3] Ausführlicher erläutere ich das in diesem Beitrag: „Erfahrung, Urteil, Entscheidung“
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