Warum sind wir nicht glücklich?

Und was es heißt, umzukehren

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Alles, was mit uns und unserem Leben zu tun hat, können wir entweder von außen her erklären oder von innen her verstehen. Was bedeutet das? Worin genau besteht der Unterschied? Wir sind es gewohnt, die Dinge, die wir in der Welt beobachten, auf weltliche Ursachen zurückzuführen. Diese Vorgehensweise ist für uns oft so selbstverständlich, dass wir sie kaum noch bemerken, geschweige denn hinterfragen. Das Auto fährt, weil Motor und Mechanik arbeiten, wie sie sollen. Der Wind weht, weil Luftteilchen den Unterschied zwischen einem Hoch- und einem Tiefdruckgebiet ausgleichen. Die Rose blüht, denn es drängt sie, sich fortzupflanzen. Meine Kopfschmerzen verschwinden, nachdem ich ein Schmerzmittel eingenommen habe. Oder auch: Meine Ohren sind klein, weil das in meinen Genen so veranlagt ist. Wenn wir so denken, erklären wir die Dinge von außen her. Dabei ist dieses Außen also nicht nur meine physische Umgebung, sondern das Physische schlechthin. Das heißt, auch mein Körper, sofern er ein Naturprodukt ist, das den Naturgesetzen unterliegt, gehört für mich zur Außenwelt.

Solange wir dem Ursache-Wirkung-Prinzip gemäß denken, können wir unser Glück nur als etwas ansehen, das von äußeren Umständen abhängt. Dabei ist es im Grunde einerlei, ob wir die Ursache unseres Glücks im materiellen Wohlstand, im beruflichen Erfolg, in eindrucksvollen Begegnungen, körperlicher Lust oder physischer Gesundheit sehen. Immer muss eine Bedingung erfüllt sein, bevor wir Glück erfahren können. Damit haben wir natürlich ein Problem, denn die äußeren Umstände ändern sich fortlaufend. Auch wenn uns ein Haus, ein Baum oder eine Ehe stabil erscheinen, so wissen wir doch, dass sie eines Tages aus dieser Welt verschwinden werden.

Sogar die Berge unterliegen der Veränderung. Die Erfahrung hat es uns gelehrt. Und deshalb sind wir in Sorge, dass uns die Bedingungen unseres Glück abhandenkommen. Aus dieser Sorge heraus suchen wir die äußeren Umstände unseres Daseins zu kontrollieren, zu beherrschen, zu manipulieren. Mit anderen Worten, wir trachten danach unser Glück zu erzwingen.

Ein Leben, das von Sorge und Zwang beherrscht wird, kann kein glückliches Leben sein. Viele resignieren, da sie sich das bedingungslose Glück nicht vorstellen können. Sie werden zynisch und konzentrieren sich darauf, das Leben, solang es eben geht, zu genießen, Spaß zu haben, sich Wünsche zu erfüllen. Was danach kommt, daran möchten sie erst gar nicht denken. Doch auch wenn sie den Gedanken verdrängen, spüren sie das unvermeidliche Ende wie ein Damoklesschwert über ihrem Haupt. Irgendwann wird der Spaß vorbei sein. Wann? Wer weiß das schon. Sie fühlen sich den Launen der Umstände ausgeliefert und können diese Ohnmacht kaum ertragen. Deshalb suchen sie irgendeine Art von Berauschung oder Betäubung, aber alles das, was die Welt zu bieten hat, ist ein kläglicher Ersatz für bedingungsloses Glück.

Wie ist es nun aber, wenn wir die Dinge von innen her verstehen? Der Wechsel zu dieser Perspektive ist eine radikale Umkehr. Denn nun betrachten wir die Begegnungen und Ereignisse unseres Lebens ganz anders. Wir suchen nicht länger nach Ursachen dafür in der Welt, sprechen auch nicht von „Zufall“, wenn wir keine finden, sondern sehen unser Leben als die Offenbarung eines verborgenen Sinnes. Wir kennen ihn nicht, diesen Sinn, sind aber voller Vertrauen, dass nichts in unserem Leben ohne Grund im Sein geschieht. Unser Dasein, so spüren wir, wird aus dem Sein heraus weise gestaltet. Dieses Vertrauen, man könnte es auch Glauben nennen, verlagert unseren Schwerpunkt vom „Machen“ zum „Lassen“. Das Machen geschieht aus Sorge oder Unzufriedenheit heraus. Es will immer mehr und Besseres, macht Pläne und strebt nach Sicherheit. Als Macher sind wir tendenziell aggressiv, hart und rücksichtslos, erklären das Leben zum „Kampf ums Dasein“. Offensichtlich können wir in diesem Zustand nicht glücklich sein. Wächst in uns dagegen das Vertrauen in die Weisheit des Seins, fangen wir an zuzulassen, dass sie sich entfaltet. Unser Dasein wird damit durchlässig für seinen inneren Sinn. Wir bleiben gelassen, wenn wir uns mit Widrigkeiten konfrontiert sehen, da wir spüren, dass auch sie ihren Grund in unserem Sein haben.

Gelassenheit ist Hingabe. Aber Hingabe bedeutet nicht Untätigkeit oder gar Feigheit. Was uns begegnet, kann uns durchaus auffordern, entschieden zu handeln, mitunter auch zu widersprechen. Das Glück lässt sich nicht damit erkaufen, dass wir vor Unrecht die Augen verschließen oder es so weit relativieren, dass wir uns nicht mehr einzumischen genötigt fühlen müssen. Wenn wir allerdings aus der inneren Gelassenheit heraus handeln, hat unsere Tat eine ganz andere Qualität. Dann begegnen wir einem Unrecht, das wir beobachten, mit der ganzen Stärke unserer Klarheit. Diese ist wie ein helles Licht, dass jedem unmittelbar einleuchtet. Aus der Liebe zum inneren Sein vermögen wir das Gewissen anderer zu berühren. Da wir uns nicht persönlich bedroht fühlen, sind wir nicht gezwungen, rechthaberisch oder streitsüchtig zu werden. Viele Menschen sind unglücklich. Sie hadern mit ihrem Schicksal, sehen sich vom Leben enttäuscht, haben Angst vor dem Unheil, das ihnen, wie sie meinen, jederzeit geschehen könnte. Hingabe bedeutet, all das mutig loszulassen, die Sorge, die Unzufriedenheit, auch den Groll. Es fällt uns deshalb so schwer, weil wir jahrtausendelang gelernt haben, dass Glück und Freude durch äußere Gegebenheiten bedingt sind. Das ist und war immer ein Trugschluss. Erst die radikale Umkehr erlaubt uns, den Grund all jener Gegebenheiten und Lebensumstände in uns selbst zu sehen. Das heißt jedoch nicht, dass wir uns selbst damit quälen, versagt zu haben, wenn wir uns mit Widerständen oder Misserfolgen konfrontiert sehen. Selbstzerfleischung ist keine Hingabe. Es mag sein, dass wir uns wundern über das, was passiert, es schade finden, es gern anders gehabt hätten. Aber unser Vertrauen wird dadurch nicht erschüttert und wir bleiben voller Zuversicht, dass wir alle diese Ereignisse eines Tages in einem ganz anderen Licht sehen und verstehen werden. Zu leben, da zu sein, erfüllt uns mit dem Gefühl einer einmaligen Gnade. Wir gehen den Weg, den Weg zurück zur Einheit. Er mag verschlungen sein, aber wir können ihn nicht verfehlen. Diese Erkenntnis zu leben, heißt zu glauben. Glaube, Hoffnung und Liebe bilden als Dreieinigkeit das Haus, in dem unser Glück wohnt.

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