Vom universellen Wert der Liebe
Viel hört und liest man heute über sogenannte UAP-Sichtungen. Die englische Abkürzung steht für Unidentified Aerial Phenomena, also nicht identifizierbare Luftraum-Erscheinungen. Sie hat inzwischen die früher geläufige Abkürzung UFO ersetzt. Weltweit scheint es eine deutliche Zunahme der UAP-Sichtungen oder auch Kontakte mit außerirdischen Wesen zu geben. Unter den Forschern herrscht offenbar die Erwartung vor, dass extraterrestrische Wesen in naher Zukunft vor der ganzen Weltöffentlichkeit in Erscheinung treten werden. Manche spekulieren, dass Kontakte mit einzelnen Personen oder Institutionen bereits seit längerem stattfinden, vor der Öffentlichkeit aber geheim gehalten werden. Überhaupt wird viel spekuliert, was zeigt, dass die Aussicht auf eine Begegnung mit intelligenten außerirdischen Wesen auf jeden Fall unsere Fantasie anregt.
Ich möchte mich hier nicht an Spekulationen beteiligen. Würden außerirdische Lebewesen ganz offiziell auf Erden erscheinen und unter uns weilen, wäre ich nicht überrascht. Gottes Schöpfung ist groß und die Vielfalt der Geschöpfe unüberschaubar. Eine andere Frage aber wäre, inwiefern mich die Besucher aus dem Kosmos mit ihrer Weltraumtechnik beeindrucken würden. Nun muss ich sagen, dass mich Technik generell nicht sonderlich beeindruckt. Ich sehe schon, dass in den letzten Jahrhunderten erstaunliche Dinge entwickelt wurden, ob nun in der Gerätemedizin, der Molekularbiologie, der Rüstungsindustrie, der digitalen Kommunikation oder der Nanoforschung. Aber diese Innovationen interessieren mich wenig. Mehr noch, sie stimmen mich skeptisch, weil ich sehe, dass sie sich für den inneren Menschen, für seine moralische und spirituelle Entfaltung, als nicht förderlich erweisen.
Blicken wir auf uns selbst, in die Welt des Menschen, so sehen wir doch, dass technische Überlegenheit keineswegs mit moralischer Reinheit und spiritueller Klarheit einhergeht. Wir benutzen technische Innovationen um andere zu übertrumpfen, zu überwachen, zu bekämpfen oder auszubeuten. Neuerdings sollen sie uns gar ermöglichen, andere Planeten zu „erobern“ und kolonisieren. Dabei wissen wir doch ganz gut, dass uns technische Höchstleistungen noch nie zu besseren Menschen gemacht haben. Trotzdem geht die technische Entwicklung ungebremst weiter. Die neu gewonnenen Möglichkeiten werfen zwar hin und wieder ethische Fragen auf, die uns zwingen über Grenzen nachzudenken, zum Beispiel bei den sogenannten lebensverlängernden Maßnahmen in Bezug auf unheilbar kranke Menschen. Aber generell sind wir so berauscht von jeder technischen Möglichkeit, dass wir sie sofort zur Wirklichkeit machen, ohne nach der Notwendigkeit zu fragen. Anders gesagt, wir betrachten jeden technischen Fortschritt nicht bloß als unabwendbar, sondern als etwas per se Gutes, absolut Wünschenswertes. Er überrollt uns und wir heißen ihn willkommen.
Meinem Eindruck nach lassen sich viele Menschen unserer Zeit leicht von technischen Errungenschaften beeindrucken. Das mag auch damit zusammenhängen, dass ihnen eine Beziehung zur verborgenen Welt des Geistes fehlt, so dass sie letztlich nichts anderes als das materiell Erscheinende gelten lassen können, seien es Maschinen, Nahrungs- und Genussmittel oder physische Körper. Nun scheint es offensichtlich, dass uns Wesen, die Raumschiffe entwickelt haben, mit denen sie galaktisch oder gar intergalaktisch reisen können, technisch haushoch überlegen sind. Wer nur darauf schaut, muss zu dem Schluss kommen, dass die fremden Kreaturen aufgrund ihrer Ingenieurskunst mächtiger sind als wir Menschen. Wahrscheinlich werden sie diese Überlegenheit bedrohlich finden, weil sie befürchten, dass die Fremden aus dem Universum ihren technischen Vorsprung nutzen könnten, um sie zu beherrschen. Immerhin kennen wir einen solchen Missbrauch aus unserer eigenen Geschichte, einer Geschichte, die bekanntlich voll von Eroberung, Unterdrückung und Versklavung ist. Plötzlich müssen die ehemals Fortschrittlichen sich selbst als „unterentwickelt“ einstufen, und das ist natürlich ein schwerer Schlag für ihr Ego.
Noch wahrscheinlich ist, dass jene Menschen, die nur das Äußerliche als Realität akzeptieren, von der schwindelerregenden Technik der Weltraumreisenden berauscht sein werden. Die Aussicht auf einen Riesenfortschritt in ihrer eigenen technischen Entwicklung begeistert sie, und sie werden zu willigen Schülern nichtmenschlicher Meister, indem sie deren Wissen begierig in sich aufsaugen. Es ist anzunehmen, dass sich gerade solche Menschen, die stark mit der Rationalität des Verstandes identifiziert sind, den technisch überlegenen Fremden zum Vorbild nehmen werden. Doch, ich wiederhole, die technische Vorrangstellung der extraterrestrischen Gäste hieße noch lange nicht, dass sie uns auch in moralischer oder spiritueller Hinsicht überlegen wären. Die Gefahr, die ich sehe, ist, dass der moderne, materialistisch denkende Mensch angesichts einer plötzlich erscheinenden überwältigenden Technik moralische und spirituelle Werte geringschätzen oder gar ganz vergessen wird. Tritt letzteres ein, wird ihm der Transhumanismus als verlockendes Ideal erscheinen.
Dass der Mensch laut hebräisch-christlicher Überlieferung im Bilde Gottes erschaffen wurde, ist eine Aussage, die sich nicht auf Äußerliches, Erscheinendes, Materielles bezieht. Es wäre doch ziemlich albern, anzunehmen, dass Gott Galle und Gedärme hätte, dass er sich wie wir mit Schweiß, Schleim oder Blähungen konfrontiert sähe. Ebenso wenig kommen wir als sogenannte Digital Natives oder Hominis technicus dem Bilde Gottes näher. Offensichtlich ist es die uns eingehauchte Seele, unsere jenseitige Neschamah, die wir als gottebenbildlich verstehen sollen. Sie ist unseren gewöhnlichen Sinnesorganen verborgen, kann aber dort erlebt werden, wo Liebe auflebt, dass heißt, wo wir in Beziehung gehen, Güte zeigen, Dankbarkeit empfinden und Freude verbreiten.
Wer keine Beziehung zu dieser verborgenen Welt der Seele hat, wer gar die Existenz einer übersinnlichen oder seelisch-geistigen Realität leugnet, kann der Begegnung mit Außerirdischen weder gelassen noch freudig entgegensehen. Da das Äußerliche immer das Trennende ist, sieht er in den spektakulären Leistungen der auftauchenden Raumschiffe den Beweis dafür, wie viel weiter als er selbst deren Entwickler sind. Auf das Erscheinende fokussiert, ist er nicht nur leicht beeinflussbar, sondern hat auch ein sehr beschränktes Menschenbild. Denn er kann im Grunde nur glauben, dass wir alle nichts weiter als egoistische, berechnende und triebgesteuerte Tiere sind, dass so etwas wie Liebe und Mitgefühl bloß sentimentales Gerede oder scheinheiliges Getue seien. Sähe sich ein solcher Seele leugnender Rationalist mit Außerirdischen konfrontiert, die keinerlei Güte oder Empathie zeigten, würde er diese wohl als Erlöser begrüßen, als kosmische Helfer, die die Menschheit endlich aus vorwissenschaftlicher Irrationalität und Gefühlsduselei befreien werden. Das ist die Gefahr, dass manche, vielleicht sogar viele von uns, bereit sind, angesichts übermenschlicher Technik ihrerseits alles Menschliche aufzugeben.
Deshalb ist es wichtig, uns selbst daran zu erinnern, dass die Liebe keine Hierarchie kennt. Jeder Fortschrittsgedanke ist ihr fremd. In der Liebe gibt es kein Oben oder Unten, also auch keine Höherentwickelten oder Zurückgebliebenen. Besinnen wir uns auf das, was wir als Menschen wesentlich sind, und öffnen uns für das, was größer ist als unser Egoismus, so brauchen wir uns vor keiner außerirdischen Lebensform zu fürchten oder uns ihr kniefällig zu unterwerfen. Wer immer uns aus dem Universum entgegentreten wird, es sind in jedem Fall Geschöpfe Gottes und es bleibt abzuwarten, inwieweit sie fähig sind, in Seinem Bilde zu leben.
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