Eine Interpretation
Hin und wieder stoße ich auf Bezeichnungen wie „innere Sinne“ oder „innere Wahrnehmungsorgane“ über die wir, wie es heißt, „Informationen aus dem inneren Universum“ erhalten, ohne dass näher erläutert wird, worum es dabei geht. Die Andeutungen bleiben oft vage, etwa wenn von einem Ahnen, Spüren oder auch von Intuition und Bauchgefühl die Rede ist. Es scheint, als müsse jeder selbst herausfinden, was genau diese inneren Organe sind und welche Art von Informationen wir durch sie erhalten.
Es gibt allerdings einen interessanten Versuch der Konkretisierung. Er stammt von Seth, einer Persönlichkeit, die das US-amerikanische Medium Jane Roberts mehrere Jahrzehnte lang gechannelt hat. Näheres zu Seth und Jane Roberts findest du hier. Diese Persönlichkeit Seth hat sogar eine ganze Reihe von originellen Übungen vorgeschlagen, mit denen wir unsere inneren Sinne wecken und schärfen können. Eine ausführliche Beschreibung dieser Übungen kannst du bei mir kostenlos erhalten. Im vorliegenden Beitrag möchte ich vorstellen, was wir bei Seth über innere Sinne erfahren. Zugleich mache ich den Versuch, die knappen Andeutungen Seths so zu erläutern, dass du dir vorstellen kannst, was damit gemeint sein könnte. Ich drücke mich hier im Konjunktiv aus, da ich keineswegs beanspruche, genau zu wissen, wie Seths Aussagen zu verstehen sind.
Seth unterscheidet neun psychische Sinnesorgane. Ich werde sie der Reihe nach vorstellen. Mein Text ist so aufgebaut, dass ich zuerst wörtlich zitiere, was Seth zu einem Sinn sagt, um diese Aussage gleich anschließend zu interpretieren. Ich beziehe mich auf den englischen Originaltext, den ich selbst übersetzt habe. Du findest ihn hier.
Meinen Ausführungen möchte ich zwei Zitate von Seth voranstellen, die sein Verständnis der inneren Sinne im Verhältnis zu den äußeren Sinnen deutlich machen: „Die inneren Sinne liefern dem Körper Informationen aus der inneren Welt der Realität. Die äußeren Sinne liefern dem Körper Informationen aus der äußeren Welt der Camouflage. Die inneren Sinne sind sich jedoch jederzeit der physischen Daten, die zum Körper selbst gehören, bewusst, während sich die äußeren Sinne mit dem Körper hauptsächlich im Zusammenhang mit seiner Beziehung zur Camouflage-Umwelt befassen. Anders gesagt, haben die inneren Sinne auf eine Weise ein unmittelbares und beständiges Wissen über den Körper, wie es die äußeren Sinne nicht haben.“[1] „Die inneren Sinne verfügen über eine große Unmittelbarkeit und eine köstliche Intensität, die den äußeren Sinnen fehlt. Es gibt keine Zeitverzögerung bei der Wahrnehmung, denn Zeit existiert nicht.“[2]

Nun zu den von Seth aufgezählten neun inneren Sinnen:
„1. DAS INNERE SCHWINGUNGS-TASTGEFÜHL: Es ist der Empathie sehr ähnlich, aber viel vitaler. Es stellt eine direkte Art von Wahrnehmung dar.“
Es scheint sich hier um eine psychische Erweiterung unseres physischen Tastgefühls oder auch dessen innere Entsprechung zu handeln. Im Gegensatz zum äußeren Tastsinn braucht dieses innere Pendant offenbar keine Rezeptoren in der Haut. Die Wahrnehmung erfolgt über Schwingungen, ist damit eine Art energetischer Erfahrung. Sie erlaubt uns nicht nur, das energetische Schwingungsmuster unseres Gegenübers zu erspüren, ohne mit ihm in Berührung zu sein, sondern auch unser inneres Selbst. Manche Schwingungen erreichen unser Ohr. Sie versetzen unser Trommelfell in Schwingung und wir hören Klänge oder Töne. Wir könnten andere nicht verstehen, wenn ihre Worte nicht in uns mitschwingen würden. Das kann hier natürlich nur eine Analogie sein, denn das Ohr gehört zu den äußeren Sinnen. Überlegen wir also, wie es wäre, in dem, was der andere sagt oder auch was wir selbst sagen, jenes durchzuhören, was nicht sagbar ist, was jenseits der Worte liegt. Müssten wir da nicht ganz anders „mitschwingen“, noch intimer als beim Hören?
„2. DIE PSYCHOLOGISCHE ZEIT: Sie ist ein natürlicher Weg, der dazu gedacht ist, einen einfachen Zugang von der inneren zur äußeren Welt und umgekehrt zu ermöglichen.“
Was ermöglicht uns einen Zugang von der inneren zur äußeren Welt und umgekehrt? Da hier von „Zeit“ die Rede ist, vermute ich, dass es um unsere Erinnerungsfähigkeit geht, wobei ich Erinnerung nicht als eine Gedächtnisleistung, sondern als ein Innewerden von Sinn verstehe. Wir erfahren etwas in der äußeren Welt und erkennen unmittelbar, wie wir dazu in Beziehung stehen. Im Erfahren der Erfahrung bringt sich uns etwas in Erinnerung, das vielleicht wenige Minuten, einige Tage oder auch viele Jahre zurückliegt. Ereignisse, die in der äußeren Welt vor Jahrzehnten geschahen, können sich in der Erinnerung plötzlich und mit erstaunlicher Lebendigkeit vor uns hinstellen. Da ahnen wir, dass sich in unserem Leben etwas entrollt, was wir wie ein Skript oder eine Schriftrolle in uns tragen. Die nichtlineare Innenwelt ent-wickelt sich in der linearen Zeit der Außenwelt. Und das Offenbare verweist auf das Verborgene.
„3. DIE WAHRNEHMUNG VON VERGANGENHEIT, GEGENWART UND ZUKUNFT: Sie befähigt uns, an der Zeitschranke vorbei oder durch sie hindurchzuschauen, um die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind – inklusive unsere Multidimensionalität.“
Wie ich es verstehe, geht es hier um eine ganzheitliche Zeitwahrnehmung. Wenn wir einen Menschen ganzheitlich betrachten, beziehen wir uns üblicherweise auf das, was wir im Moment erfahren. Wir sehen seine Mimik und Gestik, hören ihn sprechen, erleben seine Gefühlsäußerungen, hören seine Argumente und so weiter. Wir bekommen einen Gesamteindruck. Hier aber geht es darum, im Menschen, der uns begegnet, zugleich das Kind, den Jugendlichen, den Erwachsenen und den Greis zu sehen. Manchmal sehen wir in einem jungen Kind einen Greis oder eine Greisin, was uns einen Hinweis darauf geben mag, woher dieser Mensch kommt. Auf ähnliche Weise ahnen wir beim alten Menschen gelegentlich die künftige Inkarnation, auf die er sich offenbar einzustellen scheint. Wir können mit der Vorstellung spielen, dass ein Ereignis, das uns bevorsteht, schon hinter uns liegt, oder wenn es schon hinter uns liegt, uns noch bevorsteht. Auf diese Weise lockern wir unsere Verbindung zur linearen Zeit mit ihrer starren Chronologie. Das Woher und Wohin, das Vorher und Nachher, bilden eine Einheit. Oder wie Seth immer wieder betonte: „Der Kraftpunkt liegt im Jetzt.“

„4. DER KONZEPTUELLE SINN: Er beinhaltet die direkte Kenntnis eines Konzepts in weitaus mehr als intellektuellem Sinne. Es geht eher darum, ein Konzept vollständig zu erfahren. ‚Ihr könnt ein Lebewesen nicht wirklich verstehen oder wertschätzen, es sei denn, ihr werdet zu diesem Lebewesen.‘“
Beim Begriff Konzept in diesem Zusammenhang denke ich an psychologische Typenlehren, wie sie etwa auf der Grundlage der Astrologie, des Enneagramms oder der Temperamente existieren. Näheres dazu findest du hier. Wer sich mit solchen Typologien befasst, kann die Erfahrung machen, dass er durchaus verschiedene Typen in sich vereint. Er ist vielleicht cholerisch veranlagt, aber melancholische, phlegmatische oder sanguinische Stimmungen kann er auch nachvollziehen. Vielleicht spürt er in sich die robuste Tatkraft des Widders, aber die Empfindlichkeit des Krebses ist ihm auch nicht fremd. Je aufmerksamer und tiefer wir uns selbst verstehen, umso mehr sind wir imstande, das, was der andere ist und wie er sich gibt, in uns wiederzufinden. Wir lernen mit anderen Worten, den anderen in uns zu erleben.
„5. DIE ERKENNTNIS DER KOMPETENTEN ESSENZ: Gemeint ist ein intimes Werden des Selbst zu etwas anderem. Sie wird benutzt um die Kapsel [=Astralkörper], die das Selbst einschließt, zu durchdringen. Ohne sie wäre niemand in der Lage, einen anderen auch nur annähernd zu verstehen.“
Bei dieser kompetenten Essenz handelt es sich, wie ich annehme, um das allumfassende SEIN, das sich fortlaufend in neuen Schöpfungen zum Ausdruck bringt. Das, was uns in uns selbst einschließt, sind unsere Gedanken, Gefühle und Empfindungen. Momente des Seins, des ICH BIN, unterbrechen die Identifikation mit dem, was wir denken, fühlen und empfinden. Wir werden tatsächlich zu etwas anderem, etwas, was in der Stille verborgen liegt, weil wir es weder denken, fühlen noch im Körper wahrnehmen und also auch nicht benennen können. Erkennen wir diese uns vertraut gewordenen aber beschränkten Seelenkräfte als Ausdruck des schöpferischen SEINS, fangen wir an, auch andere als Ausdruck dieses SEINS zu erleben. Im SEIN sind wir alle miteinander verbunden.
„6. DIE ANGEBORENE KENNTNIS DER GRUNDLEGENDEN REALITÄT: Es handelt sich um einen sehr elementaren Sinn. Er befasst sich mit jenem dem Wesen angeborenen Wissen über die Wirkungsweise der grundlegenden Vitalität des Universums. Ihr könntet die physische Camouflage ohne diesen Sinn nicht konstruieren. Er zeigt sich als Instinkt, Inspiration und als Fälle von spontanem ‚Wissen‘“.
So wie ich es verstehe, ist dieser Sinn der Boden, aus dem unser Urvertrauen erwächst. Das erwähnte „angeborene Wissen“ liegt zumeist tief im Unbewussten begraben. Seth scheint hier zu behaupten, dass wir uns ohne diesen Sinn oder geistigen Boden nicht inkarnieren würden oder könnten. Das verstehe ich so, dass wir es nur auf dem Boden dieses Urvertrauens überhaupt wagen, uns in einem physischen Körper zu kleiden. Hätten wir diese angeborene Kenntnis nicht, sähen wir uns für immer in der materiellen Welt gefangen. Je mehr es uns gelingt, diesen Sinn zu erwecken, umso mehr können wir in jeder Lebenslage im Urvertrauen sein. Wir spüren, dass das Universum lebt und von Liebe und Weisheit durchdrungen ist. Es trägt uns durchs Leben.

„7. AUSDEHNUNG ODER ZUSAMMENZIEHUNG DER GEWEBE-KAPSEL: Bei diesem Sinn kann es um die Erweiterung oder Vergrößerung des Selbst gehen, um die Ausdehnung von Grenzen und von bewusstem Verständnis, oder darum, dass sich das Selbst in eine immer kleinere Kapsel zusammenzieht, was es ihm ermöglicht, in andere Realitätssysteme einzutreten. (Die Gewebekapsel umgibt jedes Bewusstsein und ist eine Energiefeld-Abgrenzung.)“
Ich meine, dass beide Bewegungen zusammengehören, und ich vermute, dass Seth dem zustimmen würde. Die Zentrierung setzt eine Ausdehnung in die Peripherie voraus – und umgekehrt. Ein drehender Derwisch fällt den Fliehkräften nicht zum Opfer, wenn er im Lot ist, das heißt, wenn er seinen Schwerpunkt in der senkrechten Körperachse hat. Durch die Ausdehnung wachsen wir in die geistigen Räume verschiedener Sphären hinein. Diesbezüglich sprechen wir von Multidimensionalität. Durch die Zusammenziehung in eine Art von Nulldimensionalität eröffnet sich uns unser innerer Kosmos. Das eine ist ohne das andere nicht denkbar; das Innere stülpt sich nach außen, das Äußere nach innen.
„8. LOSLÖSUNG VON DER CAMOUFLAGE: Dieser Sinn wird vom inneren Selbst dazu benutzt, sich von einem bestimmten Camouflage-Muster zu lösen, bevor es ein anderes annimmt oder ganz auf Camouflage verzichtet. Die völlige Loslösung kommt in eurem System selten vor.“
Camouflage ist vereinfacht gesagt der Ausdruck, den Seth für unsere materielle Realität benutzt. Alle Formen der Camouflage oder Tarnung versteht er als Kreationen des Bewusstseins. Man kann sich vorstellen, dass urzeitliche Jäger, die sich in die Gestalt ihres Beutetieres versetzten, von diesem Sinn Gebrauch machten. Auch der mexikanische Schamane Don Juan Matus scheint die Fähigkeit zur Gestaltwandlung beherrscht zu haben. Er konnte seine Erscheinung so verändern, dass ihn seine Schüler nicht wiedererkannten. Die Himmelfahrt Christi ist wohl als eine „völlige Loslösung“ von der Camouflage zu verstehen.
„9. AUSSTRÖMUNG (AUSBREITUNG) DER ENERGIE-PERSÖNLICHKEIT: ‚Eine Energie-Persönlichkeit, die Teil eures Systems werden möchte, tut das, indem sie diesen Sinn benutzt. Die Energie-Persönlichkeit streut sich zunächst in viele Teile aus. Da es nicht anders möglich ist, auf eine andere Weise in euer System einzutreten, muss sie in die einfachsten Elemente zerlegt und später wieder aufgebaut werden. Sperma ist natürlich ein Eintritt in diesem Sinne. Die Energie der Persönlichkeit muss sich dann wieder verbinden.‘“ Es scheint sich hier um eine Art von Teleportation zu handeln. Ob dabei tatsächlich der physische Körper oder lediglich der Mentalkörper (hinduistisch: Mayavi-Rupa-Körper) in der Ferne wieder aufgebaut wird, ist nicht klar. Als abgeschwächte Wirkung dieses Sinnes darf man vielleicht die Telepathie ansehen, sei es als unbewusstes aneinander Denken oder als gezielte Kommunikation. Die bewusste telepathische Kommunikation würde demnach voraussetzen, dass wir in der Lage sind, die vom Sender ausgestreuten Gedanken zu einer sinnvollen Botschaft zu verbinden. Vermutlich hat Seth selbst diesen Sinn benutzt, um mit seinem Medium Jane Roberts in Kontakt zu treten.
[1] Jane Roberts, Die frühen Sitzungen, Buch 1 des Seth-Materials, Seth-Verlag, Sempach 2000, Seite 186ff.
[2] a. a. O. Seite 188
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